Freitag, 22. Dezember 2006

Verwirrung um Emissionszertifikate

Seit langem ist die Empörung darüber groß, dass Stromerzeuger den Wert der ihnen vom Staat kostenlos zugeteilten Emissionszertifikate in den Strompreis einkalkulieren. Grünen Fraktionsvize Bärbel Höhn mokiert an der RWE- Rüge nur, dass das Kartellamt eine teilweise Anrechnung von 25 % unbeanstandet gelassen hat. Dies zeigt, das fehlende Verständnis bei den entscheidenden Damen und Herren für das Instrument Emissionszertifikate. Denn: Gerade weil die Marktpreise der für die Stromerzeugung erforderlichen Zertifikate sich im Strompreis niederschlagen, sind diese ein so sehr effizientes umweltpolitisches Instrument. Tun sie das nicht, dann ist irgendetwas faul. Mehr Wettbewerb auf dem Strommarkt wird keineswegs den Einfluss des Zertifikatepreises auf den Strompreis beseitigen, wie das die "ministeriellen Stromrebellen" unterstellen. Wenn der Wettbewerb auf dem Strommarkt richtig funktionieren würde, dann würden sich Änderungen am Börsenkurs der Zertifikate genauso unverzüglich im Strompreis niederschlagen wie dies Preisänderungen anderer Einsatzstoffe wie Brennstoffpreise tun. Das muss auch so sein, damit Strom entsprechend seiner Umweltbelastung teurer wird, sodass stromsparende Technologien oder Verhaltensweisen attraktiv werden. Wer die "windfall profits", den die Stromerzeuger aufgrund der kostenlosen Zertifikatezuteilung kassieren ungerecht findet, der muss wie MdB Michael Kauch oder Alois Rhiel für deren weitestmögliche Versteigerung eintreten.

In der Pressemitteilung zur RWE Rüge für das Jahr 2005 anerkennt das Kartellamt selbstverständlich den Sachverhalt, dass Zertifikatepreise als Opportunitätskosten in die Kalkulation eingehen. Aufgrund des hohen Marktanteils von RWE und EoN, die gegeneinander nicht in Wettbewerb treten, sieht aber das Amt keinen hinreichender Wettbewerb am Strommarkt. Vergleichsbetrachtungen mit anderen am Emissionshandel teilnehmenden Industrien hätten ergeben, dass diese unter den damaligen Randbedingungen nur einen Teil der Kosten hätten überwälzen können. Ausserdem ist das Amt - ohne dies in der PM klar zu begründen - der Ansicht, dass nur ein Teil der Zertifikate tatsächlich hätten alternativ verwendet (wohl also verkauft) werden können und nur für diesen Teil ist den Stromerzeugern ein Preiserhöhungen begründender monetärer Nutzen entgangen. Es gilt abzuwarten was die Gerichte dazu sagen.

Samstag, 16. Dezember 2006

Rauchverbot ist Ländersache

Bei der Frage wo künftig Rauchen erlaubt sein soll und wo nicht geht es schon lange nicht mehr um Nikotin und Qualm. Eine Karikatur in der Frankfurter Rundschau zeigt eine Familie die sich vor einer Zigarettenqualmwolke in ein anderes Bundesland rettet. Aus Sicht der Bundes-Ministerien für Gesundheit und Verbraucherschutz ist die Zeit der freiwilligen Lösungen für die Länder vorbei. "Ab heute ticken die Uhren anders" verkündete Ministerin Schmidt. Bezeichnen fand ich einen Artikel von Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung nachdem sich im Zigarettelqualm nun die Augen für die fatalen Konsequenzen der Föderalismusreform öffnen. Prantl fragt: "Kann und darf es sein, dass jedes Bundesland seine eigene Regelung trifft? Muss nicht derselbe Nichtraucherschutz überall gelten?"

Darüber, 0b ein Rauchverbot generell eingeführt werden muss oder ob es nur für bestimmte öffentliche Flächen und Einrichtungen oder den Arbeitplatz zu gelten habe, kann man geteilter Meinung sein. Schließlich ist niemand gezwungen sich beispielsweise in einem verqualmten Restaurant aufzuhalten, wenn er nicht will oder seine Gesundheit durch Passivrauchen gefährdet sieht. Die Ansicht des niedersächsischen Ministerpräsident Wulff «Der Staat sollte sich nicht in alle Lebensbereiche einmischen und sollte nicht dort Verbote schaffen, wo Menschen ihre Freiheit eigenverantwortlich nutzen müssen» ist durchaus vernünftig. Ebenso sollen die Bayern das von Ihrem Vorturner Herr Stoiber gewollte generelle Rauchverbot im Freistaat einführen dürfen.

Das Recht auf "Unversertheit der Person" wird mit dem Recht eines Andern, eine gesundheitsschädliche oder gefährliche Handlung durchzuführen, ständig mit unterschiedlichem Ergebnis gegeneinander abgewogen. So wie es die Gemeinde beschließt, wohnt einer an einer Spielstrasse und anderswo rauschen Autos mit Tempo 60 direkt an Wohnhäusern vorbei. Erfahrungsgemäß gelingt es den Menschen sich an die sich ändernden Gepflogenheiten anzupassen. Genauso wäre es sicher für einen Niedersachsen problemlos möglich, sich bei einem Besuch in Bayern an das dortige Rauchverbot anzupassen und auch im Wirtshaus auf den Glimmstengel zu verzichten. Genauso wäre es einem Bayern in Niedersachsen zuzumuten, beim Gang in eine Kneipe sich zu überlegen, ob ihn dort vielleicht der Zigarettenqualm stört.

Zurück zu der Frage von Hr. Prantl von der SZ ob es sein kann, dass jedes Bundesland seine eigene Regelung zu Rauchverboten trifft: Ja, das kann sein. In vielen Staaten dieser Erde wird dies sogar auf kommunaler Ebene auf unterschiedliche Weise und halt so, wie es die jeweiligen Mehrheiten für richtig halten, geregelt. Es gibt sehr weniges was wirklich vom Bund einheitlich geregelt werden muss. Das Bund-Länder Gerangel ums Rauchverbot zeigt keineswegs die fatalen Konsequenzen der Föderalismusreform, sondern sie zeigt wie wichtig sie ist.

Freitag, 1. Dezember 2006

Milton Friedman, 31.7.1912 - 16.11.2006

Mein Zeit als Gymnasiast in den 70er Jahren war sehr politisiert. Eine Szene mit einem jungen und beliebten Deutschlehrer blieb mir im Gedächtnis. Er kommentierte eine Wortmeldung: "Das klingt nach Friedman" und sein Gesicht drückte tiefe Verständnislosigkeit aus. Die Diskussion ging dann andere Wege.

Es wäre mir damals nicht in den Sinn gekommen etwas von diesem verrückten Amerikaner zu lesen. Hin und wieder stand in Zeitschriften etwas skuriles über ihn. In einer Serie des Stern "die großen Ökonomen" erfuhr man, das Friedman stets mit einer Brosche mit dem Bild Adam Smiths herumlaufe.

Zwanzig Jahre später hatte ich bei einer Dienstreise nach Rio die kleine Essay Sammlung "Capitalism and Freedom" im Gepäck und las darin allabendlich vom Othon Hotel aus mit bezauberndem Blick auf die Copacobana. Mein Eindruck: Was Friedman da schreibt ist vernünftig, auch dann, wenn er sich gegen die staatliche Lizensierung von Berufsgruppen unter anderen auch für Rechtsanwälte oder Ärzte wendet. Danach habe ich noch "Free to Chose" und die "Monetary History of the United States" gelesen.

Friedman ist nicht das, was man in Deutschland gemeinhin in die Schublade "Wirtschaftsliberaler" steckt. Er verteidigt liberale Positionen in allen Bereichen und ist auch das, was man einen "politischen Liberalen" nennt. Bekannt ist sein Eintreten gegen die Wehrpflicht in Friedenszeiten und für die Legalisierung des Drogenkonsums. Ebenso betont er das uneingeschränkte Recht, jede politische Ansicht friedlich öffentlich vertreten und Anhänger suchen zu dürfen. Letzteres gilt ausdrücklich auch für solche politischen Ansichten wie den Kommunismus, deren Realisierung nach seiner Ansicht unweigerlich jede Freiheit zerrstören würden.

Ein sechstägiger Besuch in Chile im Jahre 1975, also 2 Jahre nach dem Putsch, hat noch heute zur Folge, dass viele, so auch zum Beispiel die Frankfurter Rundschau in ihrem Nachruf, Friedman als "Wirtschftsberater Pinochets" bezeichnen. Tatsächlich traf er Pinochet einmal und hielt damals eine akademische Rede an der katholischen Universität.

Friedman beschreibt im Essay "Alleviation of Poverty" (Capitalism and Freedom, 1962) ein vergleichsweise einfaches Einkommensteuersystem, das bei niedrigen Einkommen automatisch zu Auszahlungungen führt (negative tax). Er sieht darin ein wirkungsvolles Mittel Armut zu mindern ohne die negativen Begleiterscheinungen der üblichen Sozialpolitiken wie staatliche Bevormundung der Betroffenen, Beseitigung von Anreizen zur Selbsthilfe sowie behördliche Kontrollen in Kauf nehmen zu müssen. Solche Konzepte werden ja derzeit als "Grundeinkommen" in Deutschland vermehrt diskutiert, seit sie von Prominenten wie dem Chef der DM Drogeriemarktkette Götz Werner vertreten werden.

Ich würde mich freuen, wenn Friedman in Deutschland mehr gelesen würde. Einer, der die Ansichten Friedmans teilt, wird es in Deutschland schwer haben eine Partei zu finden, die diese auf der politischen Bühne vertritt. Er passt absolut nicht in übliche deutsche Weltbilder. Solche Kerle sind Gold wert.

Montag, 27. November 2006

Vinho Verde Tinto

Selbst in einer Ausstellung neulich in einer Karlsruhe Oststadt-Kneipe habe ich ihn nicht finden können: Den Vinho Verde Tinto bzw. roter Vinho Verde, der süffige rote aus Nordportugal. Einiges googeln und eine Anfrage per email bei einem auf der Homepage sehr ordentlich sich darstellenden Weinhändler brachte ebenso nur das unbefriedigende Ergebnis: Weisser Vinho Verde, kein Problem - aber roten haben wir nicht.

Mir kam dann der Gedanke eine Gelegenheit für ein ausserordentlich sinnstiftendes Hobby entdeckt zu haben. Wie langweilig ist es doch, wie viele Andere, Apfelmost aus zu zünftigen deutschen Äpfeln zu pressen wo man doch in unzähligen Saft- und Bioläden diesen in hervorragender Qualität und mit allen Ökolabels kaufen kann. Nein, wer wirklich Kreativ ist macht in seiner Freizeit was, was sonst keiner tut: Zum Beispiel roten Vinho Verde. Der wilde Weinstock neben der Terrasse, mit den nur den Wespen schmeckenden Minitrauben, soll geopfert und durch einen geeigneten portugisische Rebsorte ersetzt werden.

Via Wikipedia war leicht rauszufinden, welche Rebsorten geeignet sind und einer Email an das staatliche Weinbauinstitut in Freiburg hatte eine freudliche Antwort zur Folge mit dem Hinweis eines sachverständigen Herrn doch mal beim "Verband der Rebpflanzguterzeuger" nachzufragen. Da die fraglichen Rebsorten spät reifen könne er sie in unseren Breiten zwar nicht empfehlen, wenn ich aber mehr von der Unternehmungslust als von der zu genießenden Weinqualität getrieben sei, solle ich den Versuch wagen. Ich bedankte mich artig bei dem freundlichen Herrn.

Leider folgte auf mein flugs verschicktes Email an den "Verband der Rebpflanzguterzeuger" bislang keine Antwort. Auch läßt das im Internet veröffentlichte Programm des Verbands: Alles in Deutschland bewährtes Pflanzgut nicht erwarten, dass nordportugiesische Provinzsorten wie "Pedral" , "Espadeiro" ode "Azal Tinto" dort zu haben sind. Eine erneute Anfrage in Freiburg, ob es vielleicht einen Rebenzüchter Verband in Portugal, wo vielleicht eine nette Dame oder netter Herr mit Verständnis für sinnstiftenden Hobbies suchende Mitteleuropäer Dienst tut, gibt, blieb leider auch unbeantwortet.

Nun ja, da werde ich wohl weiter unter den wilden Minitrauben auf der Terasse sitzen und biologischen Apfelasaft mit Ökolabel trinken. Der örtliche Bioladen und die Wespen werden sich freuen.

Samstag, 25. November 2006

Risikanter Unfug: Investivlohn

Nichts ist ungeschickter für einen normalen Arbeitnehmer als sein Geld bei seinem Brötchengeber anzulegen. Zwar hat er, wenn sich die Firma gut entwickelt, zum sicheren Arbeitsplatz einen netten Kapitalgewinn. Doch dieser Glücksfall tritt mit der gleichen Wahrscheinlichkeit mit einer Beteiligung bei einer anderen Firma ein. Gewichtiger wiegt der andere Fall: Wenn es der Firma schlecht geht, dann verliert der Pechvogel zu seinem Einkommen auch noch sein Erspartes.

Ein Teil des Lohns soll nun nach den Vorstellungen von CDU Generalsekretär Pofalla als "Investivlohn" steuerlich gefördert für eine Beteiligung am Kapital und damit Gewinn des arbeitgebenden Unternehmens verwendet werden. Dass SPD Fraktionschef Struck die Idee begrüßt und Herr Beck ein "SPD Modell" zum Investivlohn vorstellen möchte zeigt, dass hier Schwarz und Rot der gleichen oder zumindest ähnlicher Ansicht sind.

Der "Investivlohn" wird unmöglich nicht zu Lasten der regelmäßigen Einkommen gehen, wie es sich Verdi-Vize Margret Mönig-Raane vorstellt. Genau wie jede Erhöhung von Löhnen oder Sozialabgaben verteuert ein zusätzlicher "Investivlohn" den Faktor Arbeit erhöht die Arbeitslosigkeit und schwächt bei Lohnverhandlungen die Position der Arbeitnehmer.

Völlig unklar ist, wie die Forderung , dass Mitarbeiterbeteiligungen bei Firmenverlusten oder Insolvenzen "risikofest" sein müssen, realisiert werden könnte oder wie das Modell für Arbeitnehmer, die nicht bei börsennotierten Unternehmen arbeiten, umgesetzt werden soll. Die Versicherung eines Firmenanteils gegen Insolvenz oder Verlusten mittels Bürgschaften etc. ist unverhältnismäßig teuer. Wer unternehmerisches Risiko nicht tragen will oder kann ist mit festverzinslichen Wertpapieren oder mit breit streuenden Investmentfonds auf jeden Fall besser bedient. Der Wert von Anteilen nicht börsennotierten Unternehmen ist vollkommen unklar und sie können auch kaum bei Bedarf zu Geld gemacht werden. Ein juristischer Alptraum wäre es Mitarbeiter an Unternehmen, die gar nicht als Kapitalgeselschaft sondern etwa als Einzelnunternehmen geführt werden, zu beteiligen.

Fazit:
Wer Aktien seines Arbeitgebers kaufen will, soll das -mit eigenem Geld und ohne Subventionen aus der Steuerkasse - tun dürfen. Im Normalfall wird es aber vernünftiger sein vorher sichere festverzinsliche Papiere zu kaufen oder Schulden zurückzuzahlen. Es gibt keine sicherere Geldanlage als das Zurückzahlen privater Schulden wie Immobilienkredite. Dabei liegt die (steuerfreie) Rendite in Form eingesparter Schuldzinsen weit über dem marktüblichen Anlagezins.

Wer geglaubt hat, dass solche Ideen wie der Investivlohn endlich Geschichte sind, sieht sich enttäuscht. Immernoch geistert in einflussreichen Köpfen die Vorstellung herum, dass die politische Führung besser die Angelegenheiten der Bürger entscheiden kann als dieser selbst. Dabei wird gerade bei diesem Beispiel besonders klar: Sie kann es nicht.